"Ich bin nur weniger weit entwickelt als Sie..."

Jim Harrison in "Ghosts of Tsavo"
Die Übelkeit erregende Angst ist immer noch da. Ich habe gehört, dass akute Angstzustände eine Nebenwirkung von Lariam sein können, Ob die Dämonen nun pharmazeutischer Natur sind oder nicht, ich lese in den Psalmen, um sie zu exorzieren. Den ersten: "Der ist wie ein Baum, gepflanzet an den Wasserbächen, der seine Frucht bringet zu seiner Zeit, und seine Blätter verwelken nicht; und was er macht, das gerät wohl." Den 95.: "Kommt herzu, lasst uns dem Herrn frohlocken und jauchzen dem Hort unseres Heils." Und den 118.: "In der Angst rief ich den Herrn an, und der Herr erhörte mich und tröstete mich. Der Herr ist mit dir, darum fürchte ich mich nicht..."
Diese alten, schönen Worte helfen ein wenig, aber nicht genug. Ich gehe hinaus, um zum Himmel hinauf zu schauen, und die südlichen Sterne sind ein Wunder. Ich erkenne ein paar Sternbilder aus meiner eigenen Hemisphäre, Orion, den Großen Hund, den Großen Bären, aber die meisten anderen sind mir unbekannt, und das macht nichts. Ich brauche ihre Namen nicht zu kennen: ihre Schönheit reicht vollkommen aus. In Gedanken ziehe ich Linien von den Richtsternen des Kreuzes des Südens und des "falschen Kreuzes' darüber und merke mir die Stelle, an der sie sich schneiden - das ist exakt Süden. Der Große Bär steht dicht über dem Horizont, und seine Richtsterne weisen auf den Polarstern im Kleinen Bären, der gleichfalls tiefer am Horizont steht als zu Hause. Exakt Norden. Ich drehe mich um, orientiere mich an den beiden Polen und strecke die Arme im rechten Winkel zum Körper aus. Exakt Osten. Exakt Westen. Auf diese Weise versuche ich mich zu zentrieren, wie die Lakota, die Cheyenne und die Ojibwa es taten, wenn sie sich den Vier Heiligen Richtungen zuwandten. Es mag ein wenig absurd sein, Bibelzitate mit einem Schuss Indianerreligion zu vermischen, aber wenn man sich im afrikanischen Busch befindet, 500 Kilometer vom nächsten Arzt oder Krankenhaus entfernt, und das Gefühl hat, den Verstand zu verlieren, dann ist das kein schlechter Cocktail. Ich wandere ein wenig umher, um meine Nervosität abzuschütteln, und erstarre für den Bruchteil einer Sekunde, weil ich praktisch mit den beiden Löwen-Dummys zusammenstoße. Bei Nacht wirken sie nur allzu echt.

In Gedanken höre ich Paul Simon singen:

Josephs Gesicht war so schwarz wie die Nacht
und aus seinen Augen leuchtete der blassgelbe Mond.
Die Sterne der Südhalbkugel wiesen ihm den Weg
und er verbringt seine Tage unter dem Himmel Afrikas.

In der Feuergrube leuchtet schwach die Glut, Ein Wasserbock schnaubt draußen im Kanderi-Sumpf. Weit weg trompetet ein Elefant. Was in aller Welt tue ich hier? Ich denke an Marianne. Ein wenig so wie im alten Athen ... Sklaven erledigen die Schmutzarbeit, damit Plato und Aristoteles und die anderen dasitzen und nachdenken können. Vor acht Tagen beförderte uns Veritys Fahrer, ein kleiner, stämmiger Kikuyu namens Sammy, von Nairobi nach Tsavo. Wir machten am Straßenrand Pause und holten uns Sandwiches und ein Bier aus der Kühlbox. Ein Dorfbewohner erschien, tauchte praktisch aus dem Nichts auf, wie ein erbarmungswürdiger Geist, herbeigerufen von dort, wo immer Geister ihre Zeit verbringen mögen. Sein Bauch war eingesunken, seine glasigen Augen von Hunger gepeinigt, seine Kleidung zerlumpt und schmutzig. Er bettelte nicht, er sagte kein Wort, sondern stand nur da, und schon sein bloßes Da-Sein war ein Vorwurf. Ich konnte nicht essen. Ich überließ ihm mein Sandwich, ein Akt der Barmherzigkeit, vergleichbar dem, einem von tiefsitzenden Knochenschmerzen geplagten Menschen ein Aspirin zu gehen. Also, welche Rolle spielt es, ob einige Löwen Mähnen haben und andere nicht? Wen kümmert es, warum sie tun, was sie tun? Ist diese Expedition nicht völlig sinnlos? Wenn man bedenkt, welche Zustände in diesem Land und in ganz Schwarzafrika herrschen, stellt dann diese Beschäftigung mit all den Feinheiten tierischen Verhaltens nicht eine Form der Dekadenz dar?

Die Sterne der Südhalbkugel wiesen ihm den Weg,
und er verbringt seine Tage unter dem Himmel Afrikas.

Unter diesem Himmel Afrikas, um zwei Uhr nachts, sollte ich mir gegenüber ehrlich sein, zumal eine solche Ehrlichkeit niemandem schadet. Ich sehne mich nach der Reaktion des Poeten, des Songtexters, auf die natürliche Welt. Ich bin des empirischen Vorgehens ein wenig überdrüssig - all diese Wärmebildaufnahmen, Schädelmessungen und Datenblätter. Daten, Daten, Daten. Kunst und Wissenschaft, diese uralte Kamelle eines Widerspruchs. Offen gesagt, von Phil zu Phil. ein Teil von mir wehrt sich gegen Craig und Peyton und Gnoske und Kerbis Peterhans und all ihre Theorien und Hypothesen, Tests und Experimente. Ich sehne mich nach der Gesellschaft von Naturforschern wie John Muir; für ihn waren die Blütenblätter jener Bergblume "ein Fenster, durch das hindurch man den Schöpfer erblicken kann."
Ich halte das für zutreffend, aber ich erachte auch die Evolutionstheorie als richtig, was eine Art gefährlicher Balanceakt ist, denn wenn man dem Darwinismus bis zu seinem logischen Ende folgt, dann muss man glauben, dass die Erde nicht vorhanden ist, weil Gott wollte, dass es sie gibt, oder dass sie sich so entwickelt hat, weil es von ihm so geplant wurde. Sie hätte sich ebenso gut anders entwickeln oder überhaupt nicht entstehen können. Anders ausgedrückt: Alles ist nur einem riesigen Zufall zu verdanken. Wenn ich diesen Gedanken vom Belebten zum Unbelebten weiterspinne, muss ich zu dem Schluss gelangen, dass all dies um mich herum und über mir, diese Sterne der Südhalbkugel, gleichfalls zufällig entstanden ist, ohne das Mitwirken einer göttlichen Intelligenz, und ohne jeden praktischen Nutzen. Dennoch nennen wir es Schöpfung, und Schöpfung setzt einem Schöpfer voraus. Wir betrachten nicht zum Beispiel eine Boeing 747 und vermuten, das an die 200 000 Einzelteile zufällig zusammengefunden und sich zu einer Maschine vereinigt haben, die starten, landen und mit einer Geschwindigkeit von 8oo Stundenkilometern fliegen kann. In Craig Packers Buch, Into Africa, heißt es: Zebras sind Vielfresser und bevorzugen reife Gräser. Weißschwanzgnus begnügen sich mit jedem grünen Gras. Indem sie die längeren Gräser abfressen, ermöglichen die beiden größeren Arten das Nachwachsen des frischen grünen Grases, das die Thomsongazellen bevorzugen ... Welches sind die Vorteile der Migration?... Die kürzeren Gräser der vulkanischen Ebenen enthalten wesentlich mehr Eiweiß, Kalzium und Phosphor als die hohen Gräser der Waldlandschaften im Norden. Der Mineraliengehalt dieser Gräser ist so gering, dass bei nicht wandernden Grasfressern Phosphormangel zu verminderter Fruchtbarkeit führen würde. Blätterfresser bekommen genügend Mineralien, aber Grasfresser müssen nach Süden wandern, sobald es der Regen erlaubt. An den Rand habe ich notiert: "Was für eine Planung! Eine Planung setzt einen Planer voraus, und den hat John Muir in den Blüten der Sierra gesehen.
Astrophysiker, Kosmologen, Biologen, Biotechniker, Ärzte und Medizinforscher sind die Aztekenpriester unserer säkularisierten Welt. Sie sprechen zu uns von den Tempeln der Wissenschaft und geleiten uns in eine Zukunft, in der wir alle von unseren tröstlichen Illusionen befreit und der Herrschaft eines erbarmungslosen Rationalismus unterworfen werden. Vielleicht hat das auch sein Gutes, wenn man bedenkt, dass eine dieser Illusionen, der religiöse Glaube, die Ursache von so viel Elend und Blutvergießen gewesen ist und noch heute ist. Dennoch fürchte ich, dass wir in dieser tapferen neuen Welt unter spiritueller Verarmung leiden werden.
Es ist das Feld der Biotechnik, auf dem die Hohenpriester den Repräsentanten der Globalisierung die Hand reichen. Privatfirmen mit Aktien, die auf dem computergesteuerten Parkett der Weltbörsen gehandelt werden, werden Stammzellen aus menschlichen Embryos gewinnen, werden unsere Gene manipulieren und unsere DNS rekombinieren, und das alles aus den edelsten Motiven: um Krankheiten zu heilen, Leben zu retten, Defekte in unserer natürlichen Veranlagung zu reparieren, uns Kinder zu geben, die in jeder Hinsicht überlegen sind, Bestimmt wollen Sie, Mr. und Mrs. Jones, dass Ihr Kind einen genetischen Vorsprung bar, schließlich spielt Konkurrenz heutzutage eine immer größere Rolle, die Investition wird sich auszahlen... Solche Wunder werden nicht billig sein und denen vorbehalten bleiben, die sie sich leisten können, denn die Wunderwirker müssen den Cyber-Tradern und Aktionären einen Profit vorweisen können. Ich vermag mit nicht vorzustellen, dass jene Frau davon profitieren würde, welche ich im Südsudan getroffen habe, die sechs Tage unter dem Himmel Afrikas wandern musste, um ihr krankes Kind in ein Hospital zu bringen. Die darwinistische Ökonomie würde es nicht zulassen.
Es ist gerade mal zwei Monate her, da hielt ich einen Vortrag vor den Schülern der High School, an der ich 1959 graduierte - Fenwick, ein katholisches Institut in Oak Park, Illinois. Ich sagte den jungen Frauen in ihren dunklen Röcken und den jungen Männern in ihren Blazern und Krawatten, dass die größte Herausforderung, mit der ihre Generation konfrontiert werden wird, die sein wird, die ihnen die Bio-Technokraten unserer verkabelten Welt entgegenschleudern werden. Eines Tages, sagte ich, wird in Ihrer Lebensspanne, vielleicht sogar noch in meiner, eine Gruppe von Genies in Laborkitteln die Geduld mit moralischen Fragen verlieren und einen Menschen klonen. Dann wird die Menschheit über eine Macht verfügen, die der Nutzung der Atomkraft entspricht - und was werden wir damit anfangen? Das wird passieren, prophezeite ich den Schülern.
Ganz gleich, wie viele Gesetze und Vorschriften erlassen werden, die das Reproduktionsklonen verbieten, ganz gleich, wie viele Einsprüche Geistliche, Politiker und Ethiker erheben werden - es wird geschehen, und die Bio-Technologen werden im Fernsehen auftreten und uns im besänftigenden Tonfall geübter Medienstars erzählen, dass dies eine gute Sache sei, aus der die breite Masse ungeahnte Vorteile ziehen werde. Es wird passieren, weil die Hohenpriester der Wissenschaft heutzutage Oberwasser haben, genau wie die Cyber-Kapitalisten, und sie befolgen nicht zehn Gebote, sondern nur eines: Wenn es machbar ist, sollte es gemacht werden, vor allem, wenn Geld darin steckt. Und sobald es gemacht worden ist, werden wir mit ganz neuen ethischen, politischen und sogar metaphysischen Fragen konfrontiert werden. Wenn ein Mann oder eine Frau eine Kopie von sich herstellen kann, können wir dann sagen, dass die Kopie eine unsterbliche Seele besitzt? Können wir sagen, dass er oder sie ein geheiligtes, einzigartiges Individuum ist, vom Schöpfer mit bestimmten, unveräußerlichen Rechten ausgestattet? Aber können wir das sagen, wenn wir selbst die Schöpfer sind? Können wir das sagen, wenn ein Klon definitionsgemäß kein einzigartiges Individuum ist? Menschen sind unbeständig; Werte ändern sich den Umständen entsprechend. Was ist, wenn eines Tages beschlossen wird, dass wir, die dem Klon sein Leben gaben, ihm jetzt sein Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz entziehen sollen?
Manchmal kommt mir die Hetze der postindustriellen Welt in die Zukunft vollkommen sinnlos vor. Es ist wie der Mount Everest. Er wird erklommen, weil er da ist. In meinen paranoideren Momenten, und einen solchen erlebe ich jetzt, da ich hier unter dem Himmel Afrikas stehe, mit dem Licht der kalten Sterne in den Augen (der blassgelbe Mond ist untergegangen, Paul), glaube ich, dass die Wissenschaft es vor allem deshalb so eilig hat, weil sie am Horizont den endgültigen Triumph über ihren alten Widersacher, den Glauben, winken sieht. Wissenschaft und Glaube liegen miteinander im Krieg, seit die Kirche Galilei anklagte, weil er behauptet hatte, die Erde sei nicht der Mittelpunkt der Schöpfung. Kosmologen haben mit einem Anflug von Schadenfreude erklärt, dass das Universum sich immer weiter ausdehnen und zu einer unendlichen, dunklen und kalten Leere werden wird, in der die Abstände zwischen den Protonen so groß sind wie heute die zwischen den Galaxien - mit anderen Worten: Das Universum ist sinnlos und wirbelt dem Nichts entgegen.
Die Hirnforschung hat herausgefunden, dass unsere Emotionen, von Liebe bis Zorn, das Produkt bestimmter elektrochemischer Reaktionen in der Schädelsuppe sind, unsere Fähigkeit, zu denken und zu urteilen kein Spiegelbild des Göttlichen in unserem Wesen, sondern Funktionen von Hirnzentren, die mit modernen Instrumenten beobachtet werden können. Das Netz elektrischer Leitungen in unserem Stirnlappen ist der einzige Pfad zum Wissen. In dieser Sicht des Lebens ist kein Raum für so verschwommene Konzepte wie die Inspiration eines Poeten, geschweige denn die göttlichen Offenbarungen eines Propheten. Wir sind fast in der Zukunft angelangt, und wir sind eingetroffen, wenn der Mensch endlich Menschen aus seiner eigenen Haut erschaffen kann, die seelenlose, identische Kopie vom sterilen Fließband der Firma Embryo, mit Genen, die in jede gewünschte Konfiguration manipuliert werden können. Das höchste aller Tiere wird zur bloßen Materie, und die Wissenschaft wird das tun, was die Logiker für unmöglich halten, und etwas Negatives beweisen: Gott ist nicht der Schöpfer menschlichen oder irgendwelchen anderen Lebens. In diesen paranoiden Momenten stelle ich mir manchmal vor, dass ich bei Ted Kaczynski in der Einsamkeit seines Wahnsinns und in seinem Blockhaus in Montana bin und ihm dabei helfe, Bomben zu bauen, damit ich sie auf eine Zukunft schleudern kann, an der ich nicht teilhaben möchte.
Was tue ich hier und hänge unter dem Himmel Afrikas solchen Gedanken nach? Ich bin Romanschreiber, meine fundamentalen Reaktionen auf die natürliche Welt kommen aus dem Bauch, der manchmal mit dem Geist kommuniziert. Daran ist nichts Rationales. Ich spüre, wie ich von Informationen und Daten und der empirischen Methode fortdrifte in einen romantischen Primitivismus. Ich möchte ein Wilder sein, welcher der Schöpfung unwissende Ehrfurcht entgegenbringt und im Ausbruch eines Vulkans nicht geologische und thermische Kräfte am Werk sieht, sondern den Zorn einer bösartigen Gottheit; der zur Trommel des Schamanen tanzt, den mythischen Erzählungen lauscht, die am Feuer des Stammes die Runde machen, und keine andere Möglichkeit hat, sich zu reproduzieren, als mit einer Frau ins Bett zu gehen.
Ich kehre in mein Zelt zurück und schreibe diese verworrenen Gedanken nieder, nicht, um einen Sinn hineinzubringen, sondern um sie loszuwerden. Die pharmazeutischen Dämonen quälen mich immer noch, wenn auch nicht mehr so heftig wie vor einer Stunde. Ich lege mich hin, und nachdem ich es mit den Psalmen und dem Zentrieren der Lakota versucht habe, blättere ich jetzt in Senecas Briefen an Lucilius und Mark Aurels Selbstbetrachtungen. Ich schalte das Licht aus, und nur eine Stunde später wache ich im Schein der für mich angezündeten Kerosinlampe vorn Geräusch des Wassers auf, das draußen in einen Eimer gegossen wird. In dieser kurzen Stunde ungestörten Schlafs habe ich mich mit Craig und Peyton, Gnoske und Kerbis Peterhans und Darwin versöhnt, nicht aber mit den Bio-Unternehmern. Es ist mir unmöglich, in Menschen irgendetwas anderes zu sehen als Geschöpfe, die existieren, um zu suchen, um etwas herauszufinden und am großen Gebäude des Wissens weiterzubauen, Stein für Stein, auch wenn das im Grunde keinerlei Bedeutung hat. Ich bin so müde, dass ich nicht von meinem Bett hochkomme; aber dann fallen mir die Worte wieder ein, die Mark Aurel erst vor kurzem zu mir gesprochen hat: "Wenn es dir widerstrebt, am Morgen aufzustehen, dann lass dich von diesem Gedanken leiten: Ich stehe auf, um das Tagwerk eines menschlichen Wesens zu verrichten."

Und das beantwortet auch die Frage, was ich hier unter dem Himmel Afrikas tue.

Philip Caputo, ein echter Jäger, in "Ghosts of Tsavo"

Nettes Bild, nicht wahr? Sowohl ich als auch der Zeichner dieses Bilds sind Humanisten, die gegen Terrorismus und unnötige Gewalt sind. Aber noch mehr bin ich gegen Staatsterrorismus, Sicherheits- und Kontrollwahn, machtgeile Geheimdienstler die bei den Wahlen bescheißen, Rassismus und Unterdrückung von Minderheiten und gegen abgestumpfte, verblödetete Bürger die ihren wirklichen Feind nicht erkennen oder erkennen wollen.

Ich bin auch keiner von diesen Sicherheitsfreaks, die meinen daß alle Probleme gelöst sind, wenn man der Zivilbevölkerung die Waffen wegnimmt.Das ist nur ungefährlich wenn man auch gleichzeitig korrupte Militärs und Polizei entwaffnen würde. Daß das geht, beweisen u.a. die britischen Bobbies. (Aber ich will auch die Tatsache nicht verschweigen, daß Großbritanien zum übelsten Kontrollstaat in Europa geworden ist). Ich denke, daß man streng zwischen dem Besitz von Waffen, z.B. zur Abwehr von Tieren, und deren Mißbrauch unterscheiden sollte.

Terrorismus ist ein seltsames Unkraut, je mehr man versucht es mit Gewalt auszurotten und in Stücke zu hacken, desto mehr treibt es unterirdisch Ausläufer und desto stärker kommt es wieder. Vielleicht sollte man besser den Gärtner in diesem Fall entlassen. Ich werde mich jedenfalls immer auf die Seite der Menschenrechte stellen.


Über Indianer...

Indianer, vor allem die Indianer der Prärien und Waldgebiete Nordamerikas sind ein Volk daß einen besonderen Reiz auf mich ausübt. Viele Stämme haben eine tiefgehende Spiritualität und einen Schamanismus, der an die Religionen des fernen Ostens erinnert, aber noch stärker mit der lebenden Natur verbunden ist. Die Religionen und Gesetze waren bei den kleineren Stämmen die überwiegend von der Jagd lebten gewöhnlich individueller und demokratischer als bei den hochentwickelten Indianerstämmen Mittelamerikas, deren Kultur vom Mais abhing.

Leider waren auch die Indianer nicht frei von Krieg und Raub, hierbei ging es zumeist um die knappen Nahrungsvorräte, nach der Entdeckung Amerikas auch um Pferde. Doch Folterungen und Grausamkeiten waren ursprünglich nur bei einigen östlichen Stämmen Sitte und auch das Skalpieren wurde erst von den Weißen übernommen. Die Indianer hatten in ihren Kämpfen einen strengen Ehrenkodex, Verwundete und geistig verwirrte wurden oft geschont. Auch Kämpfe bei Nacht waren aus religiösen Gründen nicht üblich, sonst hätten diese disziplinierten Guerillas den weißen Eroberern noch wesentlich härter Widerstand leisten können.

Doch auch so waren ihre Erfolge beachtlich, dafür daß sie oft viel besser bewaffneten Militärs gegenüberstanden. Der Sioux Schamane Sitting Bull sah den Tod vieler Weißer kurz vor der berühmten Schlacht am Little Big Horn voraus. Crazy Horse, ein militärisches Genie und eine mysteriöse Gestalt von der nur ein einziges Bild existiert führte die Oglala Sioux erfolgreich gegen die Truppen des Generals "Langmähne" Custer. Man vermutet daß Crazy Horse ein "weißer Indianer" war, der von den Sioux aufgenommen wurde, er nahm auch nicht an der rituellen Selbstverletzung des Sonnentanzes teil.

Doch im Kampf gegen die weißen Regierungstruppen gab es nichts geschenkt. Crazy Horse wurde in einen Hinterhalt gelockt und getötet und einige Jahre nach der Schlacht am Big Horn wurden viele Sioux und ihr Häuptling Big Foot am Wounded Knee Creek massakriert. Der Ort des Massakers kam in der jüngeren Zeit wieder in die Medien als das American Indian Movement die Stätte besetzte um auf ihre politische Situation aufmerksam zu machen.

Und das Ende konnte letztlich nur verzögert werden, denn die Eroberer dezimierten die Büffel und anderen Wildtiere, die die Nahrungsgrundlage der Indianer bildeten. Das Ende der Indianerkriege kam als Häuptling Wovoka sein Haupt mit einem Tuch verhüllte und verkündete daß nur noch der Weg des weißen Mannes offen sei; die Indianer zogen in die Reservate die ihnen zugewiesen wurden.

Mittlerweile ist die Lage der Indianer etwas besser, einige betreiben Spielcasinos um Trucker und Touristen von einigen Dollars zu befreien, andere arbeiten in den Städten. Aber sie sind in den USA immer noch eine Randgruppe die zwar offiziell ihre Reservationen selbst verwalten, in der Praxis jedoch immer noch unter Repressalien und Diskriminierung leiden. Bei einem Kalifornienbesuch hatte ich das Vergnügen mit einem amerikanischen Freund die Round Valley Reservation zu besuchen, in der sechs (!) verschiedene Stämme aus allen möglichen Gebieten der USA zusammengepfercht wurden, in den anderen Reservaten ist die Lage wohl auch nicht besser.

Im Gegensatz zu anderen Minderheiten finden die Indianer in der Presse wenig Beachtung, vielen fehlt einfach eine Lobby. Ich stelle hier auf dieser Seite eine Auswahl von Filmen und Literatur vor, von der ich hoffe daß sie ein wenig den Geist dieses faszinierenden Volkes vermitteln kann.


Bücher:


"Hüter der Erde" ist ein schön bebildertes Werk für Leute, die einen ersten Eindruck über die philosophischen Sichtweisen der verschiedenen Stämme suchen. Die Autoren Steve Wall und Harvey Arden sprechen mit Medizinmännern und Schamanen in den ganzen USA, mein Favorit ist der Onondaga Oren Lyons der treffsicher proklamiert: "Ich kann euch gleich sagen, daß es keine Geheimnisse gibt. Es gibt nur den gesunden Menschenverstand."


"Die Apotheke Manitous" von H.J. Stammel ist ein umfangreiches Werk über indianische Heilkunst und eine gute Referenz für Freunde ganzheitlicher Heilungsweisen. Das Buch schildert nicht nur anschaulich die Diskrepanz zwischen der primitiven "heroischen" Medizin der weißen Siedler und der indianischen Heilkunst, es beschreibt auch wichtige Arzneipflanzen und geht auch auf Mystik und Schamanismus der indianischen Heiler ein. Sehr zu empfehlen!


"Das Buch der Sioux" (The Sioux) von Royal B. Hassrick ist eine gute Dokumentation des Stammes stolzer Bisonjäger der zum Prototyp der Indianer Nordamerikas geworden ist und die zahllose Autoren von Karl May bis Derib inspiriert haben.


"Das neue Indianer-Lexikon" von Kuno Mauer ist ein umfangreiches Nachschlagewerk. Hier erfährt man von der vermutlich weißen Herkunft des indianischen Volkshelden Crazy Horse genauso wie von den Visionen Sitting Bulls und Deganawidas der die Einigung der Fünf Nationen der Irokesen vorhersah. Interessant.


"Indianer" von Larry J. Zimmerman ist ein gutes Einsteigerbuch. Die verschiedenen Stämme werden hier besonders detailiert beschrieben, es gibt auch Informationen zu Religion und der momentanen politischen Situation der Indianer in Nordamerika.


"Vater Sonne, Mutter Erde" von Adolf Hungry Wolf beschreibt viele indianische Tatsachenberichte, Legenden und Zeremonien. Besonders zu erwähnen ist das Kapitel über "Weiße Indianer".


"Weißt du das die Bäume reden" aus dem Herder Verlag ist für Leute die wirkliche Weisheit suchen, eines der besten Bücher die ich empfehlen kann. Eine Sammlung von Prosa und Lyrik von vielen verschiedenen indianischen Autoren. "Wir haben unser Land und unsere Freiheit verloren, aber noch haben wir unsere Art zu denken und zu leben bewahrt. Als Indianer könnten wir einen bedeutenden Beitrag zu eurer Kultur leisten. Nur wenigen Weißen kommt es in den Sinn, daß auch die Menschen anderer Hautfarbe, seien sie nun rot oder schwarz oder gelb, sich Gedanken darüber machen, wie diese Welt besser werden könnte."


Comics:


Derib ist ein Comiczeichner und Indianerkenner aus der Schweiz. Mit "Yakari" bekam er zum ersten Mal Gelegenheit Indianer in Form einer Cartoonserie für Kinder zu zeichen. Mit den fantastischen Zeichnungen seiner späteren Werke hat Yakari allerdings nicht mehr viel gemeinsam. "Buddy Longway" ist eine Serie von 16 Bänden über einen Trapper, der eine indianische Frau heiratete. Anfangs noch ein einsamer Pelztierjäger, sieht sich Buddy im Laufe der Handlung immer mehr mit dem Besiedlungsdruck von Siedlern, Goldsuchern und Militärs konfrontiert. In seinen beiden neuesten Serien spielen Indianer die Hauptrolle. "Der Weg des Schamanen" ist eine Trilogie über das Leben eines Medizinmannes, seine Visionen, seine Kräfte, seine Initiierung und sein Wirken. Der Vierteiler "Red Road" ist wohl das ausdrucksstärkste Buch, ein junger Indianer der in einem Reservat lebt zieht von seiner trunksüchtigen Familie weg, durch das Land und in die Städte der Weißen. Dabei wird er von einem alten Häuptling wieder an seine indianischen Wurzeln herangeführt. Großartig!


Videos:


"Der mit dem Wolf tanzt" mit Kevin Costner ist ein sehr realistischer Film über einen ehemaligen Kavalleristen, der in den unbesiedelten Westen versetzt wurde. Hier beginnen tiefe Freundschaften mit den indianischen Ureinwohnern und auch einem einzelgängerischen Wolf. Doch bald sieht sich der weiße Indianer auch hier dem Besiedlungsdruck der Militärs ausgesetzt. Der gebürtige Indianer Graham Greene hatte in diesem Film seinen ersten und bekanntesten Auftritt.


"Clearcut - Die Rache des Wolfes" Graham Greene's zweiter Film, der ein Thema behandelt, das mir besonders am Herzen liegt, den Raubbau an den Urwäldern durch Holzkonzerne. Leider ist der Film fast etwas zu brutal und hart an der Grenze des Erträglichen. Nur bedingt empfehlenswert.


"Medicine Man" mit Sean Connery. Zur Abwechslung ein Film über südamerikanische Indianer. Sean Connery erforscht dass verlorengegangene medizinische Wissen der Amazonasindianer. Ich hoffe der Film wird als Aufforderung zum Erhalt der Urwälder und nicht als Werbung für Gen-Piraterie aufgefasst, denn das wäre nur als ob man aus einer brennenden Bibliothek ein paar Titel abschreibt.


"Die Brut des Adlers" Ein Bekannter von mir, der jedes Jahr mehrere Wochen ehrenamtlich Falkengelege bewacht, verfolgt die Politik verlaufene Spaziergänger und Freikletterer durch sein Fernglas sehen zu lassen um in ihnen die Liebe für die Natur wieder zu wecken. Doch was bleibt zu tun wenn vogonische Bautrupps ohne Liebe und jegliche Vernunft erscheinen um nur "ihre Pflicht zu tun"? Dieser Film mit Rutger Hauer weicht von den üblichen Action-Klischees ab, er zeigt einen Wildhüter der nicht nur schützen kann sondern auch sein Lebenswerk zu verteidigen weiß. Der Adler ist übrigens bei vielen indianischen Stämmen ein heilliges Tier das für Mut und Tapferkeit steht.


Solche Leute die im besten indianischen Geist ihr Leben für Natur und seltene Arten gaben hat es wirklich gegeben, man denke nur an Michael Grzimek oder Diane Fossey die auf brutalste Art von Banditen ermordet wurde. Aber der Prototyp eines Kämpfers ist für mich George Adamson, der "alte Mann mit Stock und Gewehr" und einzig wahre Löwenmann, Autor des Films "Frei geboren" und des Buchs "Meine Löwen - Mein Leben". Er war kein verklärter Tierschützer sondern ein Realist der Tiere nicht vermenschlichte sondern ihre Eigenarten und Tücken kannte und respektierte, oft genug dienten Stock und Gewehr der Selbstverteidigung. Er setzte sich aktiv ein als das Filmteam während der Dreharbeiten Tiere mißhandelte und prangerte die Mißstände öffentlich an. Er wilderte mehrfach Löwen aus der Gefangenschaft in die freie Wildbahn aus. Er verlor seine Frau durch Gewalt und starb selbst im Kampf gegen Banditen und Wilderer mit der Waffe in der Hand, wie ein Löwe. Kurzum, solche Männer gibt es in der heutigen Zeit gar nicht mehr, seinen Nachfolger halte ich für ein Weichei der es noch nicht einmal schaffte einen verwaisten Löwen in einem staatlichen Nationalpark unterzubringen. Die Hälfte des Naturschutzes hesteht heute aus arroganten Fachidioten und Bürokraten die am liebsten alles absperren würden und nichts anderes zu tun haben als die Leute zu schikanieren die die praktische Arbeit machen und oft kuschen müssen weil sie auf ihre Fördermittel angewiesen sind. Bewegende Geschichten wie "Frei geboren" wären heute gar nicht mehr möglich, ein verwaistes Tier das in Gefangenschaft aufgewachsen ist hat auch in Gefangenschaft zu verrecken! Und wenn man meint die Tierschützer sind selbstgerechte Kotzbrocken die auf die eigenen Leute schießen, jeden Dialog mit Fachfremden und jede sinnvolle Arbeit zum Erhalt der Artenvielfalt abwürgen und nicht einmal den kleinen Finger bewegen ohne einen Stapel Formulare in dreifacher Ausfertigung auszufüllen dann sollte man erst einmal die Pflanzenschützer kennenlernen. Siehe auch meine Naturschutzseite.


Ketambe Gunung Leuser National Park
SUMATRA

Zum erstenmal seit Tagen nehme ich dieses Buch heute zur Hand.

Ich weiß nicht, welcher Teufel mich geritten hat, daß ich mich mit diesem Werther eingelassen habe. Er ist ein brillanter Kopf und kennt sich in der Natur höchstwahrscheinlich besser aus als alle Experten, die ich jemals kennengelernt habe. Manchmal erschlägt mich seine Sachkenntnis fast. Auf jeden Fall komme ich nie aus dem Staunen heraus. Neulich stießen wir in einem kleinen Wald oben in Aceh auf eine Vogelschar, die auf dem Boden nach Futter suchte. Werther fing sofort an, Namen herunterzurasseln, und zwar nur die lateinischen Bezeichnungen - Pycnonotus squamatus. Malacopteron magnum, Malacopteron magnirostre, Stachyris maculata und so weiter und so fort. Er zählte die einzelnen Vogelarten schneller auf, als ich sie identifizieren konnte, eine bühnenreife Vorstellung.

Ich kann mich von Tag zu Tag besser in ihn einfühlen, ja ich habe ihn sogar schätzen gelernt. Aber eines verstehe ich nicht: Wie kann er mit soviel Bitterkeit leben? Wann immer er von irgendeiner wilden Gegend in Afrika, Südamerika oder Asien erzählt, die er bereist hat, folgt unweigerlich ein Kommentar über die Verwüstungen und Zerstörungen, die dort angerichtet werden, und wie viele bzw. wenige Jahre es noch dauern wird, bis Land und Leute völlig ruiniert sind. Manchmal reicht es schon, einen bestimmten Namen zu nennen, damit er sich in eine mörderische Wut hineinsteigert. Dann sieht er nur noch schwarz, und die Liste derer, die er verabscheut und haßt und die er gern umbringen würde, ist schier endlos.

Doch andererseits gibt es auch Momente, in denen er ruhig und seltsam zartfühlend ist. Dies geschieht mit Sicherheit dann, wenn er in der Natur etwas findet, das seine Aufmerksamkeit erregt. Ich kenne wenige Menschen, die sich einer Sache so hingebungsvoll widmen können wie er.

Vor kurzem sind wir bei Brastagi auf den Kraterrand des Vulkans geklettert. Es war früh am Morgen, die richtige Zeit zum Beobachten von Vögeln. Wir waren schon eine Stunde lang vergeblich herumgepirscht, als Werther auf einen Baumwipfel zeigte, in dem er offenbar etwas gesehen oder gehört hatte. Er riß den Feldstecher hoch, richtete ihn auf einen Punkt und raunte mir zu: »Da oben! Schnell!«

Ich hatte den Vogel bereits im Visier. Etwa so groß wie eine Drossel, hatte er ein kobaltblaues Gefieder, einen auffallend langen Schweif und einen dunklen Schnabel. »Eine Singdrossel?« fragte ich.

»Nein, noch was Schöneres«, antwortete er grinsend. »Doch nicht etwa eine Cochoa?«

»Allerdings!«

»Sind Sie sicher?«

»Ja. Gerade ist das Licht voll auf sie gefällen, und ich konnte die Stirn deutlich sehen.«

Ich strengte meine Augen an und beobachtete, wie der Vogel, von Ast zu Ast hüpfend, eine Beere nach der anderen aufpickte. Dort, wo er sich jetzt befand, war es schattig mit vereinzelten sonnigen Flecken, und so konnte ich die Stirnpartie nicht erkennen, aber mir war auch so klar, daß Werther recht hatte. Dies war eine Cochoa azurea, eine Blau-Cochoa, in der englischsprachigen Fachliteratur auch Malaiische Cochoa genannt - einer der seltensten und am wenigsten erforschten Vögel Südostasiens.

Über die Schulter werfe ich einen Blick auf Werther. Er strahlte. Man hätte meinen können, daß all der Haß, alle Sorgen und inneren Nöte schlagartig von ihm abgefallen wären. Er benahm sich, als hätte er nicht einfach nur einen seltenen Vogel zu Gesicht bekommen, sondern etwas unendlich Kostbareres erblickt - so etwas wie einen Engel.

Richard Ives, "Von Tigern und Menschen"

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